Schauspielerin,
Autorin und Gästeführerin Petra Paetzold, verkleidet als „Schamanin von Bad
Dürrenberg". Foto: Uwe Heinze
Neue
Ehren für alte Schamanin
Bad
Dürrenberg – Eine ungewöhnliche Frau kommt jetzt in einem Taschenbuch etwa
9.000 Jahre nach ihrem Tod zu neuen literarischen Ehren. Dabei handelt es sich
um die am 4. Mai 1934 entdeckte „Schamanin von Bad Dürrenberg“ in
Sachsen-Anhalt. Ihre Skelettreste und jene eines Kleinkindes im
Alter von einem halben bis einem Jahr kamen bei Kanalisationsarbeiten im
Kurpark von Dürrenberg (erst seit 1935 Bad Dürrenberg) zum Vorschein. Sie
wurden in großer Eile geborgen, da der Kurpark bereits am nächsten Tag
eingeweiht werden sollte.
Die fast 1,60 Meter große Frau im Alter zwischen etwa 25
und 35 Jahren war zu Lebzeiten etwas Besonderes. Wegen anatomischer Anomalien
konnte sie sich durch Drehen ihres Kopfes in Trance versetzen und in jenem
Dämmerzustand angeblich mit Ahnen und Geistern sprechen.
Man hatte die Leiche der Frau mit
angewinkelten Beinen in eine zuvor ausgehobene Grabgrube gesetzt. Zwischen
ihren Schenkeln befand sich das Kleinkind. Angesichts der körperlichen Nähe der
Beiden könnte es sich um Mutter und Kind handeln.
Die Tote war mit auffällig vielen
Gegenständen umgeben, von denen etliche vermutlich zur Benutzung im Jenseits
gedacht gewesen sind. So entdeckte man in dem Grab einen Schlagstein aus
Quarzgeröll zum Bearbeiten von Steingeräten, eine 11 Zentimeter lange, 4,7
Zentimeter breite, geschliffene Beilklinge aus schwarzem Hornblendeschiefer,
neun Feuersteinklingen und einen 14,2 Zentimeter langen Kranichknochen, in
dessen Innerem 31 Artefakte aus Feuerstein steckten, die sich als Pfeilspitzen
eigneten. Außerdem barg man Bruchstücke vom Panzer einer Sumpfschildkröte,
Vogelknochen, ein Rehgeweih und drei Rehunterkiefer, 18 durchbohrte Zähne vom
Auerochsen oder Wisent und vom Wildschwein, undurchbohrte Zähne vom Wisent,
Rothirsch und Reh sowie Reste von Muscheln. Sowohl das Skelett der Frau als
auch des Kleinkindes waren in einer 30 Zentimeter mächtigen, rotgefärgbten
Erdschicht eingebettet.
Die
ungewöhnlich reichen Beigaben der Frau aus Bad Dürrenberg werden als Requisiten
einer Schamanin gedeutet. Der Kopf der Toten könnte mit einer Zier aus Fell,
Tierzähnen sowie den Schädelknochen und dem Geweih eines Rehes bedeckt worden
sein. Zu Lebzeiten soll die „Schamanin von Bad Dürrenberg“ in dieser Aufmachung
mit Toten und Naturgeistern in Verbindung getreten sein.
Die „Schamanin von Bad Dürrenberg“ ist in Wort und Bild in dem Taschenbuch
mit dem langen Titel „Die Mittelsteinzeit in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen
und im südlichen Brandenburg“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst
vertreten. Auf der Vorderseite des Umschlages befindet sich eine von dem
Illustrator Karol Schauer geschaffene künstlerische Interpretation der
Schamanin. Die Rückseite wird durch ein Foto von Uwe Heinze geziert, das die
als Schamanin verkleidete Schauspielerin, Autorin und Gästeführerin Petra
Paetzold aus Bad Dürrenberg zeigt.
Männliche
Kollegen der „Schamanin von Dürrenberg“ waren mittelsteinzeitliche Schamanen
oder Zauberer mit abenteuerlich aussehenden Hirschschädelmasken. Reste solcher
Masken kamen in England (Star Carr), Nordrhein-Westfalen (Erfttal bei Bedburg,
Erftkreis), Mecklenburg (Hohen Viecheln, Kreis Nordwestmecklenburg; Plau am
See, Kreis Ludwigslust-Parchim) sowie Brandenburg (Berlin-Biesdorf) zum
Vorschein. Mit derartigen Hirschschädelmasken auf dem Kopf tanzten einst
Schamanen in Deutschland.
Zum
Auftakt der Mittelsteinzeit um 9.600 v Chr. folgte auf die letzte Kaltzeit des
Eiszeitalters eine bis heute währende Warmzeit. Aus ehemaligen Tundrajägern,
die Rentiere und Wildpferde erlegten, wurden nun Waldläufer, die Hirsche und
Wildschweine jagten sowie Fische fingen. Um 5.500 v. Chr. begegneten die
mittelsteinzeitlichen Jäger, Fischer und Sammler erstmals eingewanderten
jungsteinzeitlichen Bauern, von denen sie später Ackerbau, Viehzucht und
Töpferei übernahmen.
Empfohlene Literatur zur Prähistorie:
Journalist Ernst Probst (Autor):